Wenn die Energie ausrinnt …
Der Deutsche Jürgen Klopp stellte sich vor acht Jahren beim großen FC Liverpool mit den legendären Worten „I am the normal one“ vor. Normal ist für ihn freilich nur das Beste. Sein Engagement führte die „Reds“ zurück auf die Siegerstraße, brachte Meistertitel und den Gewinn der Champions-League. Doch Erfolg kann auch eine Bürde sein. Er spüre nun, dass er diesen Job nicht wieder und wieder und wieder machen könne: „I’m running out of energy.“ Und er könne in dieser Position nicht auf drei Rädern fahren. Er liebe alles an diesem Verein, an dieser Stadt, an den Fans und den Mitarbeitern. „Deswegen schulde ich euch die Wahrheit.“ Es ist ein Abgang, der alles andere als normal ist, doch er passt zu dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit und verdient höchsten Respekt.
Etwas anders stellt sich die Situation beim Barcelona-Trainer Xavi Hernandez dar, der kurz darauf ebenfalls seinen Abschied mit Saisonende ankündigte. Der katalonische Traditionsklub liegt in der Tabelle zurück und ist im Cup ausgeschieden. Xavi, der als Spieler beim FC Barcelona eine Legende war, zieht eine bittere Bilanz seiner zwei Jahre als Coach: „Das Gefühl, Barca-Trainer zu sein, ist unangenehm, es ist grausam, es fehlt der Respekt, man hat oft das Gefühl, dass die eigene Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Das belastet deine geistige Gesundheit. Ich bin ein positiver Mensch, aber die Energie sinkt bis zu einem Punkt, an dem du denkst, dass es keinen Sinn mehr hat.“
Beiden gemeinsam ist ein energetisches Ungleichgewicht. Ihre Aufgabe kostet sie mehr Kraft, als sie zurückbekommen. Und die Arbeit eines Trainers lebt ja ganz wesentlich davon, dass er Energie an seine Mannschaft weitergibt. Ist der Spitzensport auf diesem Niveau zu fordernd, um dies über längere Zeit zu schaffen? Oder haben die beiden es verabsäumt, ausreichend auf ihre inneren Kraftquellen zu achten? Oft hört man über Trainer, dass sie zu hundert Prozent für den Fußball leben. Aber man kann eben nicht ausschließlich vom Fußball leben. Es braucht eine tiefere Verwurzelung. Von Jesus heißt es immer wieder, dass er an einen einsamen Ort geht, um zu beten. Er sucht den Kontakt mit Gott, der seine Kraftquelle und sein Kompass ist. Das Eintauchen in die Gegenwart Gottes ist die Grundlage dafür, dass sein Handeln an den Menschen ein Segen ist und er selbst dabei heil bleibt, dass er sich nicht von den vielen Erwartungen unter Druck setzen lässt, sondern frei ist, seinen eigenen Weg zu gehen.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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