Austrias Next Top Schistar
Er bestärkt sie in dem Bewusstsein, so etwas wie Auserwählte, eine Elite zu sein. Doch wem eine Begabung geschenkt ist, der oder die trage auch eine Verantwortung. Das ist gleichsam der rote Faden, der sich durch den ganzen Film zieht. Er begleitet die Mädchen und Burschen zum Training, in den Unterricht, zur Physiotherapie, in die Kraftkammer, zur Videoanalyse der Trainingsfahrten, während ihrer Freizeit, zu den Wettkämpfen und sogar bis in den Duschraum. Jede kleinste Tätigkeit, selbst Meditationsübungen mit der Klangschale, scheinen einzig und allein dem großen Ziel zu dienen, aus den Zöglingen erfolgreiche Athlet*innen und Siegertypen zu formen.
Der Film von Bernhard Braunstein beobachtet, nimmt Anteil, baut ein wenig Nähe zu den Protagonist*innen auf und gewährt gute Einblicke in ein System, wo junge Menschen in einem hochprofessionellen und streng strukturierten Umfeld auf dem Weg zum Spitzensportler, zur Spitzensportlerin begleitet werden. Er kommentiert nicht, stellt keine Fragen und bezieht keine Position, sondern wirkt fast wie ein Imagefilm für die berühmte Sportschule. Die Schattenseiten eines solchen Hochleistungslaboratoriums in Verbindung mit dem abgeschotteten Internatsleben – und die gibt es zwangsläufig auch – werden weitgehend ausgeblendet. Das finde ich schade. Wie sieht es mit der gleichen Würde aus, wenn jemand die erwartete Leistung nicht bringt? Dem Umgang mit Verletzungen, die zum Alltag des Schisports ganz selbstverständlich dazugehören, und den darauf folgenden Schritten der Therapie und Rehabilitation gibt der Film reichlich Raum, aber wie ist es mit Versagen und Scheitern, mit psychischem Druck, mit Rivalität und Konkurrenzkampf? Was erzählen Absolvent*innen im Rückblick darüber, wie sie diese Eliteschule erlebt haben?
Eine Szene zeigt, wie in der Philosophiestunde die Frage diskutiert wird: „Habe ich einen Körper oder bin ich ein Körper?“ Faktisch werden die jungen Menschen angeleitet, ihren Körper gut kennenzulernen, um ihn zu Hochleistungsmaschinen heranzubilden. Ein Mädchen sinniert mit ihrer Freundin: „In 20 Jahren habe ich vielleicht 10 Kristallkugeln, vielleicht aber auch gar keine.“ Immer wieder ist davon die Rede, dass die Sportler*innen „abliefern“ müssen. Es ist ihre Verantwortung, gleichsam ihre Pflicht gegenüber der Schination, dass sie Siege für Österreich einfahren. Vielleicht hätte der Pfarrer am Beginn besser daran getan, aus der Botschaft des Glaubens heraus diesen Druck zu entkräften und das diesem System innewohnenden Leistungsideal aufzubrechen.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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