Wie hältst du’s mit der Politik?
Es hagelte heftige Kritik aus vielen Richtungen, die aber – interessanterweise – vor allem von Politikern vorgetragen wurde. Das ist durchaus verständlich, untergräbt der Vorschlag doch die in Europa fast einhellig vertretenen Doktrin einer möglichst weitgehenden Isolation Russlands. Eine ganz andere Frage ist aber: Was nützt dem Sport und dem Olympischen Gedanken? Diese weltumspannenden Spiele verstehen sich ja nicht nur als sportliche Leistungsschau, sondern auch und vor allem als völkerverbindendes Friedensprojekt.
Es ist eine Gretchenfrage für den Sport: Wie hältst du’s mit der Politik? Und das ist wohl immer wieder eine heikle Gratwanderung. Da gibt es meist keine eindeutig richtigen oder falschen Entscheidungen. Und ein Sport, der in einem gänzlich politikfreien Raum stattfindet, das ist wohl eine naive Vorstellung. Er hat seinen Platz inmitten dieser realen Welt mit ihren konkreten Machtkonstellationen und unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen. Sport und Politik, das wird immer eine spannungsgeladene Beziehung sein. Der Sport darf sich nicht von der Politik instrumentalisieren lassen und er soll autokratischen Herrschern oder menschenrechtsverletzenden Regimen, die das positive Image des Sports für ihre Propaganda benützen, keine Bühne bieten. Diesbezüglich herrscht großer Handlungsbedarf für eine Kurskorrektur – denken wir nur an die Austragungsorte sportlicher Großevents in den vergangenen Jahren.
Aber der Sport steht auch nicht über der Politik. Er kann keine Schiedsrichterrolle in geopolitischen Konflikten einnehmen. Es gibt ja viele Staaten auf dieser Erde, die in kriegerische Handlungen, militärische Operationen oder gewaltsame Auseinandersetzungen verwickelt sind. Wer müsste da sonst aller von den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden? Doch der Sport kann vielleicht, indem er die ihm immanenten Werte wie Fairness, Kameradschaft, Respekt und das Anerkennen gemeinsamer Regeln glaubhaft vorlebt, einen Impuls zu Verständigung, Versöhnung, gewaltfreier Konfliktlösung und Frieden beitragen.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Wie denken Sie darüber? Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!