Vinicius somos todos
Dort hatte der Brasilianer sehr emotional auf permanente rassistische Beleidigungen von den Zuschauerrängen reagiert. Nach diesem Spiel postete er auf Twitter: „Rassismus ist in La Liga normal. Die Konkurrenz hält es für normal, der Verband hält es auch für normal und die Gegner fördern es. Ich bedauere das sehr.“ Wie viele seiner Mitspieler zeigte sich auch Trainer Carlo Ancelotti empört und unterstrich in einem Interview, dass die spanische Liga ein ernsthaftes Problem habe: „So kann man nicht Fußball spielen. Wir hätten einfach aufhören und nach Hause fahren müssen.“ Beim darauffolgenden Heimspiel in Madrid lief die ganze Mannschaft demonstrativ im Trikot von Vinicius Jr. mit der Rückennummer 20 aufs Feld.
Es ist ein unübersehbares und ermutigendes Zeichen unserer Zeit, dass Menschen sich in vielen Bereichen gegen Formen struktureller Gewalt erheben und – wie etwa in der „MeToo“- oder der „Black Live Matters“-Bewegung – solidarisieren, dass sie nicht länger bereit sind, solche Verletzungen von Integrität und Menschenwürde hinzunehmen. Und es ist für mich immer wieder irritierend und beschämend, wie wenig Unrechtsbewusstsein für diese übergriffigen Verhaltensweisen nicht nur seitens der Agitatoren sondern auch bei denen, die sie stillschweigend dulden, und bei den Verantwortlichen, die Maßnahmen zur Unterbindung rassistischer Auswüchse ergreifen könnten. Vinicius Jr. hat mit seinem Aufschrei eine Diskussion vom Zaun gebrochen. Möge sie zu einer Bewusstseinsveränderung und Sensibilisierung bei Spielern, Funktionären und Fans beitragen.
Der Fußball hat doch die besten Voraussetzungen, um sich als Vorzeigeprojekt für gelingende Integration zu positionieren. Es gibt praktisch keine Profimannschaft, in der nicht Spieler unterschiedlichster Nationalität, kultureller Herkunft oder Hautfarbe problemlos zusammenwirken. Sie wissen, dass sich Erfolg nur dann einstellen kann, wenn sie als Einheit, wie ein einziger Organismus, agieren, wenn sie die Stärken und Fähigkeiten jedes einzelnen optimal zur Geltung bringen, wenn der Charakter eines Menschen zählt, nicht sein Aussehen. Wo das gelingt, ist auch etwas vom Pfingstgeist zu spüren, der „Menschen aus allen Völkern unter dem Himmel“ (Apg 2,5) in einem starken gemeinsamen Erlebnis verbunden hat.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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