Zuerst das Ziel erreichen
Es sind die großen Geschichten zwischen Triumph und Tragödie, Innovation und Tradition, Freundschaft und Rivalität, Geniestreich und Debakel, Mensch und Technik, aus denen der Mythos Le Mans gespeist wird. Und zum Jubiläum hätte wohl nichts Besseres passieren können als ein Sieg von Ferrari, das erstmals seit fünfzig Jahren wieder mit einem Werksteam angetreten ist und auf Anhieb Toyota, den Dominator der letzten Jahre, überflügelte.
In Le Mans gilt ganz besonders die alte Racer-Weisheit: „To finish first, you first have to finish.“ – Um als erster über die Ziellinie zu fahren, musst du zuerst einmal das Ziel erreichen. In 24 Stunden, in denen 5000 Kilometer und mehr abgespult werden, kann viel passieren. Eine kleine Unachtsamkeit, eine Fehleinschätzung bezüglich der Fahrbahnbeschaffenheit, der Witterungsverhältnisse, der Belastbarkeit des Materials oder eines Manövers eines anderen Fahrers, ein Moment der Überschätzung des eigenen Könnens – schon ist das Rennen vorzeitig vorbei.
Dasselbe gilt bei vielen Aufgaben, die uns das Leben stellt, oder bei Zielen, die wir uns setzen – wenn auch die Folgen eines Fehlers nicht immer so dramatisch ausfallen wie hier, wo man permanent gefordert ist, die Grenzbereiche des Möglichen auszuloten. Einen langen Atem, gute Ausdauer und eine realistische Selbsteinschätzung braucht es in vielen Situationen, um Ziele zu erreichen. Wer seine Kräfte zu schnell verbraucht, sich die Latte zu hoch legt oder sich von anderen hetzen lässt, wird bei seinem Vorhaben eher keine Zielflagge sehen. Es wird ihm bald die Luft ausgehen und die Freude abhanden kommen.
Ganz ähnlich ist es auf den Wegen des Glaubens. Manche Menschen entwickeln eine feurige Begeisterung für Gott, wenn sie ihren Glauben entdecken, aber es ist nur ein kurzes Strohfeuer, das bald wieder erlischt, und sie wenden sich schnell wieder anderen Wegen zu, wenn sie merken, dass die erste Euphorie nicht anhält. Der Weg des Glaubens führt auch durch Abschnitte der Trockenheit und Leere. Da braucht es Durchhaltevermögen. Den Israeliten hat Gott abverlangt, vierzig Jahre durch die Wüste zu ziehen und sich im Glauben zu bewähren, bevor sie ans Ziel kamen und das Gelobte Land betreten konnten. Der Hebräerbrief ermuntert uns: „Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens.“ (Hebr 12,1-2) Kraft geben kann uns dabei die Freude auf die Begegnung mit Jesus, der bereits im Ziel auf uns wartet.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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