Es muss nicht gleich der Weltrekord sein
Einziger Wermutstropfen: Es geschah natürlich nicht in Graz, sondern in Chicago.
Aber auch beim Graz-Marathon gab es einen neuen Streckenrekord. Und nicht nur das. Es hat schon eine lange Tradition, dass die gelben Leibchen des „Run4unity“ das Bild dieses Laufevents prägen. Der „Run4unity“ steht für eine Dimension des Laufens, die über den sportlichen Aspekt hinausweist. Dabei geht es weniger um das Ergebnis als um das Erlebnis. Es geht nicht um den Weltrekord oder Sieg – der liegt für Hobbyläufer*innen ohnehin nicht in realistischer Reichweite –, sondern um den Gewinn, um einen Zugewinn an Lebendigkeit, Ausdauer, Lebensfreude und Zusammengehörigkeit. Nicht um das Gegeneinander, sondern um das Miteinander.
Als ich ein Kind war, habe ich bei der Jungschar gerne das „Mutmacherlied“ gesungen. Darin heißt es: „Und das, was du allein nicht schaffst, das schaffen wir vereint.“ Das gilt auch beim Marathon. In Gemeinschaft mit anderen geht es leichter. Da kann ich über mich selbst hinauswachsen und etwas schaffen, wo ich allein, als Einzelkämpfer, vielleicht längst den Mut verloren und aufgegeben hätte.
Beim „Run4unity“ wird auch eine Gemeinschaft erlebbar, die über jene der Laufenden hinausreicht, die Verbundenheit mit Menschen an einem ganz anderen Fleck dieser Erde, die mit dem Startgeld dieses Benefizlaufs der „Jugend für eine geeinte Welt“ unterstützt werden – diesmal waren es Kinder in den Slums von Nairobi. So wird die weltumspannende Einheit der Menschheit gefördert.
All das macht das Laufen zu einem spirituellen Erlebnis, zu einer Form des Gebetes. Das beginnt schon, wenn ich Dankbarkeit dafür empfinde, dass ich die Möglichkeit habe, mich zu bewegen, dass ich gesund bin und meinen Körper benützen kann. Der Apostel Paulus sagt: „Bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ (Phil 4,6) In jeder Lage – also auch während des Laufens. Ich kann all die Erfahrungen, die ich dabei mache, dankbar vor Gott hinlegen: die Freude an der Bewegung und an der Gemeinschaft, dass es mir gelungen ist, mich zu überwinden, meine Bequemlichkeit hinter mir zu lassen, ebenso wie das Anstrengende, Mühsame und Schmerzhafte. Ich kann auch flehend all die Menschen oder die Lebenssituationen, die mir während des Laufens in den Sinn kommen, Gott anvertrauen und ihm meine Sorgen übergeben.
Indem sich beim Graz-Marathon die Teilnehmer*innen des „Run4unity“ mit dieser Haltung unter die Tausenden Läufer*innen mischen, geben sie dem ganzen Lauf einen besonderen Charakter, bereichern ihn und tragen zur Veränderung und Verwandlung unserer Welt bei.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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