Rivalität ist nicht gleich Hass
Wohin es geführt hat, ist hinlänglich bekannt. Wer dort war oder Videoaufnahmen von der gespenstischen Szenerie gesehen hat, fühlte sich in düsterste Momente der Zivilisation versetzt.
Gerade in Zeiten, in denen wir täglich Bilder und Nachrichten ins Haus geliefert bekommen, die uns in aller Brutalität vor Augen halten, was die tödlichen Früchte von Hass, Vergeltung und dem Begleichen alter offener Rechnungen sind, wären andere Signale angebracht. Der Fußball darf Hasspredigern und Randalierern nicht länger eine Bühne bieten. Da braucht es eine klare und unmissverständliche Strategie seitens der Vereine. Sich zu schämen und sich zu distanzieren, genügt nicht. Es ist begrüßenswert, dass inzwischen eine umfassende Aufarbeitung der Vorfälle in Gang gekommen ist, die hoffentlich wirkungsvolle Maßnahmen nach sich zieht.
Die beiden Grazer Großklubs sind weithin bekannt für ihre Fankultur. Ihre Rivalität ist ein Ansporn für die sportliche Entwicklung und durchaus auch eine charmante Polarität. Die Betonung muss dabei auf „Kultur“ liegen. Das macht den Unterschied, ob die beiden „Identitätsbiotope“ in ihrer gemeinsamen Liebe zum Fußball „ein Gegenmodell zur auseinanderdriftenden Gesellschaft“ verkörpern, oder in „Stammeskriege“ ausarten, wie es Hubert Patterer in seinem Leitartikel der Kleinen Zeitung vom 5. November brillant herausgearbeitet hat. Rivalität darf nicht mit Hass verwechselt werden. Gewalt beginnt bei der Sprache. Sprechchöre und Transparente müssen nicht die Würde der anderen verletzen. Könnten sie nicht auch ohne „Schweine“, „Oarschlöcher“ und „Hurensöhne“ auskommen und sich stattdessen dadurch hervortun, dass sie positive Energie auf die eigene Mannschaft übertragen?
Wie es gehen könnte, zeigte jüngst der Londoner Top-Club Tottenham Hotspur auf. Nachdem einer seiner Anhänger wegen einer rassistischen Geste gegenüber einem gegnerischen Spieler auffällig wurde, hat der Verein nicht nur die Polizei bei der Beweisfindung unterstützt, sondern auch eine Verschärfung der Strafe erwirkt und erklärt: „Wir möchten betonen, dass der Club Diskriminierung jeglicher Art nicht toleriert und wir uns immer für die stärkste mögliche Maßnahme einsetzen werden.“ Mögen die jüngsten Derby-Eskapaden in Graz ein heilsamer Schock gewesen sein, der nachhaltige Veränderungen auslöst, damit Fußballfans – Rote und Schwoarze – uneingeschränkt stolz auf ihren Verein sein können.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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