Der Geschichtenerzähler
Athletik, Fitness und Taktik sind natürlich die Basics, die es im Training zu perfektionieren gilt. Darüber hinaus scheint Christian Ilzer aber noch eine zusätzliche Qualität zu besitzen, nämlich die eines guten Geschichtenerzählers. Die richtige Geschichte, zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Menschen erzählt, kann Kraft haben, die Welt zu verändern. In einer meiner Lieblingsgeschichten, dem Buch „Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten“ von Alessandro Baricco, steht der großartige Satz: „Du bist nicht wirklich am Ende, solange du noch eine gute Geschichte hast und jemandem, dem du sie erzählen kannst.“
Nach der Heimniederlage gegen Red Bull Salzburg und fünf Punkten Rückstand auf den Serienmeister haben die meisten bei Sturm ihre Titelhoffnungen begraben. Nicht so Christian Ilzer. Er hat – so erzählte er – in der Nacht das Buch „Dschungelkind“ von Sabine Kuegler gelesen und darin die Geschichte gefunden, mit der er seine Mannschaft wieder aufrichten konnte. Er habe nach einer Metapher gesucht, um den Spielern den Glauben an sich und ihre Chance zurückzugeben, nach einem Anhaltspunkt, um zu spüren, dass es noch nicht vorbei ist. Man müsse erst einmal die Vorstellung entwickeln, dass es möglich sei, den Liga-Krösus eine ganze Saison hindurch herauszufordern. Und das scheint ihm gelungen zu sein.
Damit knüpft Ilzer an eine Tradition an, von der schon die Bibel geprägt ist. Auch Jesus war, wie jeder gute Rabbi, ein hervorragender Geschichtenerzähler. Jesus hat in seinem Wirken vor allem zwei Dinge gemacht, nämlich Menschen geheilt und Geschichten erzählt. Er hat seine Botschaft in Bilder gekleidet, die aus dem Leben gegriffen waren und ihren Blick auf Gott und die Welt verändert haben, die ihnen Kraft gegeben haben, ihr Leben zu meistern, und ihnen geholfen haben, den Sinn und Wert darin zu entdecken. Wer gute Geschichten hat, kann auch Geschichte schreiben.
Ein weiteres sehr eingängiges Bild von Christian Ilzer: Die Meisterschaft gleiche in dieser Phase einem Topf mit siedend heißem Wasser. „Entweder wirst du darin weich wie ein Kartoffel oder wie ein hartgesottenes Ei.“ Und er sei überzeugt, dass seine Jungs zur zweiten Variante gehören.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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