Unscheinbar und unerwartet
Victoria Hudson hat bei der Leichtathletik-EM in Rom sensationell Gold im Speerwerfen gewonnen. Und Vasiliki Alexandri wurde in Belgrad gleich zweifache Europameisterin im Synchronschwimmen.
Nach der Freien Kür konnte sich die gebürtige Griechin auch über kleine Dinge freuen: „Jetzt kann ich endlich ein Eis essen.“ Zugleich schmerzt es sie, dass ihre Disziplin im olympischen Programm nicht aufscheint. Hudson war selbst nicht wenig überrascht von ihrem Wurf – der Speer landete bei 64,62 Metern – und grübelte über die Ursachen ihrer Leistungsexplosion: „Vielleicht habe ich am meisten an mich geglaubt und es auf den Punkt gebracht.“
Ganz unscheinbar, ohne dass es von jemandem beachtet wird, geschieht oft auch das Wachsen des Reiches Gottes und das Wirken Gottes inmitten der Welt. Durch den Propheten Jesaja sagt Gott: „Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19) Haben wir genug Aufmerksamkeit für die zarten Pflänzchen der Hoffnung und des Mutes, der Menschlichkeit und der Solidarität, des Friedens, der Versöhnung und der Liebe? Glauben wir daran, dass sie eine Chance haben, zu wachsen und die Welt zu verwandeln?
Jesus sagt: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lk 17,20–21) Er vergleicht es mit einem Samen, der keimt und wächst, ohne dass derjenige, der es ausgesät hat, weiß, wie es geschieht. (Mk 4,27) Und gerade das Senfkorn, das kleinste und unscheinbarste von allen, „wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige“ (Mk 4,32). Es bleibt ein unverfügbares Geschenk und ein Geheimnis.
Ebenso entzieht sich im Sport das Gelingen oder Scheitern, der Erfolg oder Misserfolg letztlich unseren Einflussmöglichkeiten. Wir können unser Bestes geben, doch am Ende müssen wir die demütige Fähigkeit aufbringen, es einfach geschehen zu lassen. Und oft tritt dann gerade das Unerwartete ein, mit dem niemand gerechnet hat. Auch das macht die Faszination des Sports aus.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Wie denken Sie darüber? Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!