Gelebtes Vertrauen
Mit dem Sieg gegen Polen ist das rotweißrote Team richtig im Turnier angekommen. Es scheint alles aufzugehen, was man sich vornimmt, und auf jeden Rückschlag finden die Spieler prompt die richtige Antwort. Inzwischen rätselt man auch in den anderen Nationen erstaunt, was das Geheimnis dieser österreichischen Mannschaft ist. Fernsehkommentator Michael Wanits wusste eine Antwort: „Gelebtes Vertrauen“.
Ralf Ragnick traut jedem einzelnen seiner Spieler viel zu und er scheint ein besonderes Geschick zu haben, deren Glauben daran zu wecken. Er hat aus der Mannschaft eine verschworene Einheit geformt und er gewährt seinen Spielern große Freiheiten. Und sie geben ihm das geschenkte Vertrauen vorbehaltlos zurück. Experte Johnny Ertl schreibt in seiner Kolumne in der Kleinen Zeitung, dass es Rangnick gelungen sei, „dem Team das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu vermitteln, in dem jeder nur das Beste für den anderen möchte“. Das erklärt nicht nur die entfesselte Spielweise, sondern auch die hervorragende Stimmung innerhalb des Teams. Die Spieler haben sichtlich Spaß miteinander und geben sich gegenseitig Rückhalt. Denn nichts ist lähmender als die Angst, einen Fehler zu machen. Dieser Zusammenhalt jedoch lehrt die Gegner das Fürchten.
Ein Vertrauen, das nichts ins Wanken bringen kann, ist auch in den biblischen Texten häufig der entscheidende Punkt, der alles verändern kann. Jesus zeigt sich immer wieder beeindruckt vom Vertrauen der Menschen, die mit der Bitte um Heilung zu ihm kommen, und attestiert ihnen: „Dein Glaube hat dich gerettet.“ Und seine Jünger, die während eines Seesturms beinahe mit ihrem Boot kentern und in Panik verfallen, fragt er verständnislos: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,40) Sein tiefes Vertrauen bringt schnell den heftigen Gegenwind und den bedrohlichen Wellengang zum Verstummen.
„BELIEVE!“ stand groß auf einem Transparent der georgischen Fans. Ihre Mannschaft beherzigte die Botschaft und schaffte ein sensationelles 2:0 gegen den Gruppenersten Portugal. Die wackeren EM-Debütanten aus dem kleinen Kaukasus-Staat ziehen damit ebenfalls ins Achtelfinale ein. Kapitän Guram Kashia meinte nach dem Spiel: „Jetzt glaube ich wirklich daran, dass im Fußball alles möglich ist.“ So gelingt es auch dem Fußball, Menschen zu bekehren.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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