In die Leere fällt eine Botschaft
In einem solchen Gemütszustand kann auch ein einfaches Interview brutal sein. Die Spieler waren verständlicherweise kaum in der Lage, das Erlebte in Worte zu fassen. Aber die Leere öffnet mitunter auch den Raum für etwas gänzlich Unerwartetes und Großes.
Ganz erstaunlich ist das Resümee, das Michael Gregoritsch – er ließ mit seinem Treffer zum 1:2 noch einmal Hoffnung aufkeimen – nach dem Spiel zog: „Soweit ich es aus der Ferne mitbekommen habe, ist ganz Österreich als Land weiter. Alle Menschen können stolz aufeinander sein, dass es in Österreich kaum Ausschreitungen oder negative Vorfälle gegeben hat. Ich glaube, man hat auch gesehen, dass wir alle in diesem Land für eine Sache stehen können, die gut ist. Ich glaube, dass wir uns ganz weit von rechtem Gedankengut entfernen sollten und erkennen, wie wichtig es ist, dass wir alle gleich sind, dass wir gemeinsam für eine Sache brennen können, die so positiven Einfluss auf unser Land hat.“ Ganz große Hochachtung für diese klare Botschaft, aus der die Überzeugung spricht, dass der Fußball mit seinen starken Emotionen eine integrative Kraft entwickeln kann, die den Zusammenhalt und die Einheit stärkt.
Als ein äußerst positives Signal werden bei dieser Europameisterschaft die fröhlichen und friedlichen Fanmärsche zu den Stadien wahrgenommen, die wie eine große Wallfahrt der Völker zu den Pilgerstätten des Fußballs zelebriert werden. Randalierende Horden von Hooligans, die sich Straßenschlachten liefern, sind diesmal zum Glück die absolute Ausnahme geblieben. Der Ex-Fußballer und Fernseh-Experte Jan Age Fjörtoft gab zu bedenken: „Es ist Krieg in Europa und wir zeigen mit dem Fußball, wie man zusammenleben kann.“ Die meisten der Nationalteams leben eindrucksvoll vor, dass man auch als Multi-Kulti-Truppe eine Einheit sein kann und im Fußballspiel eine gemeinsame Sprache finden kann. Auch wenn vereinzelte nationalistische Parolen und Gesten – der türkische Torschütze Merih Demiral etwa posierte mit dem umstrittenen Wolfsgruß – nicht ausgeblieben sind, zeigt sich doch, dass dem Fußball eine nicht unwesentliche Bedeutung als Role Model für ein geeintes Europa und als Friedensprojekt zukommt.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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